In diesem Artikel teile ich meine Reise von der Spannung zwischen Herzvision und äußerer Welt hin zu einer tieferen, bedeutungsvollen Verbindung in Gemeinschaften und Beziehungen. Ich spreche über die Herausforderungen und Erkenntnisse dieses Weges und wie sie zu neuen Einsichten in das menschliche Miteinander und dessen Potenzial für einen nachhaltigen und integralen Wandel geführt haben.
Noch vor einigen Jahren habe ich eine starke und oft destruktive Spannung zwischen der Vision meines Herzens und dem Weg in der (äußeren) Welt erlebt. Es ist eine Spannung, die manchmal zum Zerreißen führte: Gewachsene, nahe und vertraute Beziehungen lösten sich im Streit auf und konnten nicht weiter bestehen.
Magischer Wandel der inneren Spannung
Seit geraumer Zeit erlebe ich einen magischen Wandel, in dem sich auch diese Spannung verändert. Sie ist keine Bedrohung, keine Angst mehr, die ständig im Rücken lauert, sondern vielmehr ein kraftvolles Band aus dem Wunsch des Herzens nach einer noch viel tieferen Begegnung, die aus dem unmittelbaren gegenseitigen Gewahrsein unserer inneren und ursprünglichen Herkunft entspringt. Wenn meine und deine Individualität gleichzeitig in einem größeren verbundenem Ganzen Platz haben, entsteht ein Wir, in dem wir auch einen konstruktiven und achtsamen Umgang mit Herausforderungen, Schmerz und alten Themen schaffen können.
Rückblick auf die ursprüngliche Herausforderung
Bevor ich darauf eingehe, wie sich diese Verwandlung genau vollzogen hat, möchte ich erst einmal auf die ursprüngliche „Baustelle“ schauen.
Sehnsucht nach tieferer Verbindung
In vielen Gruppen, Beziehungen und Partnerschaften habe ich den Wunsch nach einer neuen und tieferen Art der Begegnung erlebt, als es üblicherweise in der Gesellschaft der Fall ist. Gerade mit der Corona-Zeit hat sich der Wunsch nach dem Erleben einer solchen Tiefe für viele Menschen und auch für mich noch einmal verstärkt. Ob in Jahreskreisen, Kakaozeremonien oder Forschungsgruppen und Gemeinschaftsprojekten: Oft ist der Funke unserer Essenz, echte Verbindung und ehrlicher Austausch deutlich spür- und fühlbar gewesen. Die Freiheit, so zu sein, wie ich bin, ist oft tief berührend, auch wenn sie manchmal ebenso fordert.
Lernen und Wachsen durch Herzverbindungen
Für mich haben sich viele Herzverbindungen aufgetan, die mir auch das Licht und das Potenzial vieler Menschen gezeigt haben. Ob in tantrisch-sinnlichen Begegnungen, Philosophie über höheres Bewusstsein, bei der Begleitung in persönlichen Prozessen oder in gemeinsamen kreativen Projekten: Ich durfte sehr viel lernen, was menschliches Zusammensein über unsere gewohnten gesellschaftlichen Konzepte hinaus bedeutet.
Das Dilemma der Vergänglichkeit
Doch neben dieser Tiefe und Vielfalt hat sich immer auch eine Angst in der Realität bestätigt: Dass sich die Qualität der Verbindung nicht halten lässt und trotz Echtheit und Authentizität Beziehungen, Freundschaften und Gruppen wieder zerfallen. Auch wenn ich darin ebenso eine Natürlichkeit des Werdens und Vergehens sehen kann, blieb für mich lange Zeit immer die Frage, ob es nicht auch noch tiefer und vor allem kontinuierlicher gehen könnte.
Umgang mit tieferen kollektiven Themen
Wie also mit Konkurrenz, Streit, Eifersucht und all den tieferen archetypischen kollektiven Themen umgehen, die sich im Laufe der Zeit und mit mehr Liebe und Verbindung automatisch zeigen? Ein Teil der Antwort liefert Ken Wilber mit seinem integralen Ansatz: Hieraus leitet sich nicht nur ein tieferes Verständnis für Schatten und Projektionen ab, sondern auch das eines sich entfaltenden und immer umfassender werdenden Beziehungsgeflechtes.
Warum? Ohne zu tief auf die Komplexität dieses Ansatzes eingehen zu wollen (dafür bräuchte es wohl einige Artikel), lässt sich aus der integralen Idee unter anderem ein essenzieller Grundgedanke ableiten: dass sich alle Phänomene, Strukturen und Objekte sowohl innerlich als auch äußerlich miteinander vereinbaren lassen, da sie Teil des gleichen Geistes sind. Im Grunde ist es „nur“ eine Frage der Organisation. Je weitreichender und umfassender die Perspektive, desto mehr Beziehungsqualität sollte also auch möglich sein.
Zumindest lässt sich so gedanklich ein Hoffnungsschimmer finden, der erahnen lässt, dass andere Wege möglich sind. Wir müssen also eher fragen „wie ist das möglich?“ statt „ist es überhaupt möglich?“. Doch auch wenn im Geiste die Vision klar ist, bedeutet das nicht, dass der Weg dorthin zwingend weniger steinig wird.
Die Herausforderung in der Gemeinschaft
In einer Gemeinschaft verdichtet sich das Miteinander. Nähe, Berührung und seelische Intensität nehmen zu. Aber auch Reibung, Konflikte und all das kollektiv Unbewusste, zu dem wir noch keine Antworten, Lösungen und neue Ideen oder Lebenswege gefunden haben.
Konflikte als Chance zur Entwicklung
In unseren Gemeinschaften bedeutet diese (manchmal nüchterne Erkenntnis) genau das: neue Wege und Antworten auf alte Fragen zu finden
Ein wesentlicher Aspekt dabei ist, Konflikten nicht aus dem Weg zu gehen. Sie „tarnen“ sich manchmal unscheinbar und „harmlos“. Jetzt habe ich keine Lust, weiterzuschreiben. Ich will heute Abend nicht kochen, obwohl ich dafür schon zugesagt habe. Gerade hier wird es oft „mürbe“, wenn wir jedem Impuls einfach nachgeben. Unser Commitment besteht hier darin, in liebevoller Annahme zu reflektieren. Im Austausch darüber zu sein, statt mit Sturheit den eigenen „Ich-Kurs“ durchzuziehen. Das kann sich manchmal unangenehm oder sehr fordernd anfühlen. Doch wenn es gelingt, in Offenheit zu forschen, lässt sich oft ein Schatz für alle finden: Die Gemeinschaft kann weiter wachsen und individuelle Wunden können heilen.
Das Potenzial neuer Lebensweisen
Dies ist nur ein Beispiel dafür, wie sich aus bereits vorhandenen, umfassenderen geistigen Ansätzen mit Geschick, Pioniergeist und Mut neue Lebensweisen entwickeln lassen. Der Preis ist der Verzicht auf ein kurzfristiges Wohlgefühl. Der Gewinn ist die Schaffung eines neuen Miteinanders, welches das Potenzial hat, über viele Generationen hinweg friedvoll und verbindend, also nachhaltig zu wirken. Für mich ein Preis, den ich gerne in Kauf nehme.
Ringo ist Gründer und Teil des Weggefährten Kollektives in Leipzig und Teil des Netzwerkes der New Earth Tribes. Unsere Seite findest du hier: