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3-2-1-Meins! Hol dir deine Energie zurück – mit Schattenarbeit.

23. November 2024

Unsere Psyche ist auf faszinierende Weise intelligent. Oft ist uns diese Intelligenz gar nicht wirklich bewusst. Ein Teil dieser Intelligenz ist es, dass unsere Psyche Schatten ausbildet. Eine der wichtigsten Aufgaben in deiner eigenen Heilung und Ganzwerdung ist es, Schatten wieder zu reintegrieren. Andernfalls ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass du von ihnen unbewusst regiert wirst. In diesem Artikel zeige ich dir einen einfachen Prozess zur Auseinandersetzung mit eigenen Schattenanteilen.

Kennst du einen der folgenden Zustände?

  • Du bist oft genervt von bestimmten Verhaltensweisen von Menschen?
  • Du fühlst dich oft abgelehnt von anderen?
  • Du bist oft neidisch auf andere?
  • Du hast oft das Gefühl, etwas „zu müssen“?
  • Du fühlst dich oft eingeengt/bedroht durch Menschen in deinem Umfeld?

All das können Symptome deines Schattens sein. Die ursprüngliche Form des Schattens bleibt dahinter verborgen.

Was ist ein Schatten?

Schatten – das klingt dunkel und ich bekomme die Assoziation, dass mich etwas oder jemand verfolgt. Ich kann etwas nicht richtig sehen – höchstens erahnen.

„Der Begriff ‚Schatten‘ bezeichnet die ‚dunkle Seite‘ der Psyche – die Aspekte von uns, die wir abgespalten, zurückgewiesen, verleugnet, vor uns verborgen, auf andere projiziert oder in anderer Form verstoßen haben. In der Sprache der Psychotherapie wird der Schatten das „unterdrückte Unbewusste“ genannt – unterdrückt, weil wir es aus unserer Wahrnehmung weggeschoben oder „verdrängt“ haben, und unbewusst, weil wir uns unseres Schattens nicht bewusst sind!“ (Wilber et.al., S. 66)

1-2-3-Welche Wut? – Die Entstehung von Schatten

Schatten entsteht durch einen Prozess der Dissoziation. Teile der Psyche, die ehemals zu uns gehört haben, werden abgespalten, bis sie als nicht mehr zu uns gehörig angesehen werden. Ich erkläre das an einem häufigen Beispiel: Die Abspaltung von Wut. Der Prozess gestaltet sich in 3 wesentlichen Schritten:

  • 1 (1. Person – Ich): Du siehst die Wut noch als zu dir gehörig an („Ich bin wütend“). Für Kinder ist es zum Beispiel noch natürlich, Wut zu empfinden und auszudrücken – ein natürlicher Aspekt ihres Selbst. Aus verschiedenen Gründen und Lebensumständen kann es nun dazu kommen, dass dieser Aspekt des Selbst eine Bedrohung darstellt – wenn auf Wut von außen z.B. mit Ablehnung und Strafe reagiert wird.
  • 2 (2. Person – Du): Da die Wut zu einem nicht akzeptablen Aspekt des eigenen Selbst geworden ist, wird sie nun nach außen verdrängt, zunächst auf das „Du“ – auf die zweite Person: Nicht Ich bin wütend, sondern „Du bist wütend.“ Den eigentlich eigenen Impuls sehe ich nun in Dir (Projektion).
  • 3 (3. Person – Es): Was, wenn es für unser Selbstgefühl auch zu bedrohlich ist, unseren ursprünglich eigenen Aspekt (Die Wut) im Du, also als Eigenschaft anderer Personen zu sehen? Dann verbannen wir diese Eigenschaft oder Emotion letztlich ganz aus unserer Psyche und machen daraus ein „Es“ – etwas, womit wir nicht zu tun haben. Wut? – das hat doch mit mir nicht zu tun.

Die Ausbildung des Schatten – also die Verbannung eines eigenen Anteils ins Dunkle und Unbekannte – ist damit komplett.

Im Beispiel mit der Wut kann es dann zum Beispiel sein, dass ich meine ursprüngliche, authentische Emotion (Wut) nicht mehr fühle und stattdessen eine symptomhafte Emotion fühle (z.B. Trauer oder Angst).

Warum Schattenarbeit wichtig ist:

In der Integralen Lebenspraxis ist Schattenarbeit ein zentrales Modul und gleichzeitig eines, das in der persönlichen Entwicklung am häufigsten vernachlässigt wird. Dabei gibt es gute Gründe, dich konsequent der Schattenarbeit zuzuwenden:

  • Die eigene Authentizität finden: Schatten können dazu führen, dass wir unsere eigentlichen, authentischen Gefühle & Impulse nicht mehr wahrnehmen und leben. Schattenarbeit führt dich zurück zu deiner Authentizität.
  • Eingefrorene Energie freisetzen: Schatten binden Lebensenergie! Es braucht viel psychische Energie um Gefühle und Impulse dauerhaft zu unterdrücken. Oft geschieht dies durch innere und äußere Kämpfe („Schattenboxen“). Schattenarbeit kann dir diese Lebensenergie wieder zugänglich machen.
  • Neue Handlungsmöglichkeiten entstehen: Abspaltung von Impulsen macht uns kleiner und unsere Handlungsmöglichkeiten enger. Durch Schattenarbeit wird kreatives Potential frei und du kommst zu ganz neuen Möglichkeiten, dein Leben zu gestalten.
  • Mitgefühl und Anteilnahme: Wenn innere und äußere Kämpfe durch Schattenarbeit weniger werden oder ganz aufhören, entsteht Raum für Mitgefühl und Anteilnahme – für dich selbst und auch für andere.
  • Entspannung: Durch Schattenarbeit wirst du weniger durch Ereignisse und Personen im außen irritiert und kannst dich tiefer in dir selbst entspannen.

„Meistens sind die Dinge, dich mich an anderen Menschen am meisten stören, aufregen, faszinieren oder zwanghaft anziehen, in Wirklichkeit meine eigenen Schattenantriebe oder -eigenschaften.

Wilber et. al. in „Integrale Lebenspraxis“

3-2-1-Meins: Den Prozess umkehren – Schattenarbeit

Durch Schattenarbeit stellen wir eine Beziehung her zu dem, was wir vorher aus unserem Selbst verstoßen haben. Der Prozess der Dissoziation wird dabei umgekehrt. Das funktioniert so:

  • Wähle aus, womit du arbeiten möchtest. Am leichtesten ist das gerade am Anfang, wenn du dir eine für dich „schwierige Person“ auswählst (die du entweder sehr anziehend oder abstoßend findest), es kann aber auch etwas anderes sein, was dich immer wieder und stark irritiert, wie z.B. eine Körperempfindung oder ein inneres Bild.

Der Prozess erfolgt nun in 3 Schritten:

  • Konfrontation – 3. Person: Schaue dir ganz genau an, was du da vor dir hast und beschreibe es in der dritten Person („Er/Sie/Es“, „Ihm, Ihr“). Erforsche das, was du als Störung oder Irritation erlebst gründlich auf diese Art und Weise und erlaube dir, es präzise und detailliert zu beschreiben.
  • Damit sprechen – 2. Person: Führe mit dem Objekt, das du zuvor beschrieben hast, einen simulierten Dialog und nutze dabei die „Du“-Form. Du kannst zu dem, was dich stört oder irritiert, direkt sprechen und Fragen stellen. Dann lässt du diesen Aspekt auch zu dir antworten. Stell dir vor, was das Gegenüber (sei es Person, Empfindung oder Bild) zu dir sagt. Schreibe alles auf oder spreche es laut aus. Lass dich von den Inhalten des Dialogs überraschen.
  • Es sein – 1. Person: Im letzten Schritt schreibst oder sprichst du in der ersten Person – also „Ich/mir/mein“. Werde zu der Situation/Empfindung/Person, zu der du vorher gesprochen hast. Sehe die Welt ganz aus dieser Perspektive. Du bist das, was dich sonst im „außen“ so stört oder irritiert. Benenne diese Identifikation: „Ich bin…“, auch wenn sich das vielleicht ungewohnt anfühlt.

Nach diesem – eher mentalen Teil – der Schattenarbeit ist es oft notwendig, die neue Perspektive auch emotional-fühlend einzunehmen – also den bisher abgelehnten Antrieb oder das ausgeschlossene Gefühl auch wirklich zu spüren/zu fühlen. Es geht auch darum, den Ursprung der Entstehung des Schattens besser zu begreifen und was genau das ursprüngliche eigene Gefühl, der eigene Antrieb, das eigene Bedürfnis war. Du kannst den 3-2-1-Prozess also als Ausgangspunkt für eine tiefere Selbstreflexion und einen Prozess von Selbstannahme nehmen.

Ein Beispiel gefällig? – Der chaotische Mitbewohner von F

3 – Konfrontation: „Ich kann Karl langsam echt nicht mehr ertragen. Ständig lässt er überall alles rumstehen und scheint sich überhaupt nicht darum zu kümmern, dass er nicht alleine hier lebt, sondern ich auch noch da bin. Ihm scheint es völlig egal zu sein, dass da noch ein anderer Mensch in seinem Umfeld ist. Ich werde noch wahnsinnig in unserem Zusammenwohnen. […]

2 – damit sprechen:

F: Warum bist du so chaotisch?
Karl: Ich lege halt nicht so viel Wert darauf, dass immer alles ordentlich ist. Ich bin halt kein Spießer.
F: Aber ist es dir egal, dass da noch jemand mit dir wohnt?
Karl: Nein, aber ich hab halt auch keine Lust, mich zu verbiegen und anzupassen. Ich möchte mein Leben so leben können, wie ich es lebe. Entspann dich doch einfach mal.
[…] (die Erforschung im Dialog würde hier noch weitergehen)

1 – es sein

F wird Karl. „Ich will mich einfach mal entspannen und die Dinge leicht nehmen. Ich habe keine Lust, mich ständig an andere anzupassen.“

Weitere Selbstreflexion und Integration: F merkt, dass er sich oft an andere anpasst und es ihm schwerfällt zu entspannen, wenn er die Bedürfnisse von anderen Menschen spürt. Er erkennt, dass er sich auch danach sehnt, einfach mal die Dinge leicht zu nehmen und so zu sein, wie er ist, ohne sich an das Außen anzupassen. Irgendwann in seinem Leben hat er damit angefangen, sich dem auszurichten, was er denkt, was andere von ihm erwarten […]

Und nun zu dir: Wo könntest du mal genauer hinschauen, welche Schatten sich zeigen? Hast du Lust, dich selbst neugierig mit einem 3-2-1-Schattenprozess zu erforschen?

Quellen & Leseempfehlungen:

Wilber et. Al. (2022): Integrale Lebenspraxis. Körperliche Gesundheit, emotionale Balance, geistige Klarheit, spirituelles Erwachen. Ein Übungsbuch. München: Kösel. (S. 66-96)

Wilber (2021): Integrale Spiritualität. Spirituelle Intelligenz rettet die Welt. München: Kösel (S. 170ff)

von Markus

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