Innenarbeit ist ein Forschungsprozess, der dich sehr weit in die Tiefe führen kann, wenn du diesen Prozess ernsthaft und nachhaltig verfolgst. Ausgangspunkt dieser Forschung ist meist ein Anliegen, eine Frage, ein Problem. Vielleicht ist da ein hinderliches Muster, das sich durch dein Leben zieht und über das du endlich hinauswachsen möchtest. Vielleicht ist es eine Trennung, nach der du dir die Frage stellst, „Warum? Wie kam es dazu?“. Vielleicht ist es auch eine Krankheit, die dich fragen lässt: „Woher kommt das eigentlich wirklich? Was sind die Ursachen?“
Wenn du dir diese Fragen ernsthaft stellst, führen sie sich auf einen vielschichtigen und vielverzweigten Weg. Es ist ein Heilungsweg, den viele Menschen irgendwann in ihrem Leben antreten. Er kann dich in die Tiefen deines Selbst, zu deinen Ursprüngen – und darüber hinaus führen. Auf diesem Weg kannst du unter Umständen Dimensionen entdecken, von denen du vorher gar nicht wusstest, geschweige denn gedacht hättest, dass sie dein eigenes Leben so stark berühren.
In diesem Artikel gebe ich dir einen Einblick, welche verschiedenen Ebenen von Tiefe es in der Inneren Forschung geben kann, wenn du dir ernsthaft die Fragen stellst: „Warum?“ und „Woher?“.
Bist du bereit für einen Tauchgang?
Ebene 0: Das, was sichtbar ist – das Hier und Jetzt
Bevor wir die Tiefen erkunden beginnen wir dort, wo jede innere Forschungsreise in der Regel anfängt: Im Hier und Jetzt und bei dem, was sichtbar ist. Hier findest du die oberflächliche Ebene und das, was du z.B. einem Freund über deine Herausforderung erzählst. Hier ist das, was du unmittelbar im Alltag wahrnehmen kannst und hier sind die im Jetzt spürbaren Symptome. Ein häufiges Problem dabei ist, dass die Ebene des unmittelbar sichtbaren nicht verlassen wird – dann bleiben wir Oberflächlich und verstehen die tieferen Dynamiken z.B. eines Streits nicht.
Das Hier und Jetzt ist Ausgangsbasis für jede Forschung und auch wichtig als Ankerpunkt, um dich nicht in den anderen Ebenen zu verlieren. Du solltest aus den anderen Ebenen immer wieder hierher zurückkehren, weil hier dein Leben stattfindet. Moderne, traumatherapeutische Ansätze wie NARM arbeiten z.B. immer vom Hier und Jetzt ausgehend.

Das Mittlere Unbewusste
Bei der Beschreibung der Ebenen bediene ich mich unter anderem bei der Psychosynthese, die ein sehr adäquates und hilfreiches Modell des menschlichen Bewusstseins liefert. Das mittlere Unbewusste ist der Bereich deiner Psyche, in dem die verschiedenen Anteile (Stimmen/Voices/Teilpersönlichkeiten) zu Hause sind, aus denen sie besteht. In der modernen Psychologie geht man davon aus, dass die Psyche nicht aus einem Guss, sondern eben aus unterschiedlichen Anteilen besteht, die sich im Laufe des eigenen Aufwachsens herausgebildet haben – viele davon sehr früh in der Kindheit.
Wenn du auf der Ebene des mittleren Unbewussten forschst, dann stellst du dir Fragen wie: „Welche inneren Stimmen gibt es in mir?“, „Was sagen sie?“, „Wie interagieren sie miteinander?“, „Wann treten sie auf und warum?“ und – auch wichtig – „Welche haben in mir das Ruder in der Hand?“. Ansätze wie Das Innere Team (Schulz von Thun) oder sind hier verortet.
Das Untere Unbewusste und die Biographie
Wenn du dich mit deinen inneren Stimmen auseinandersetzt kannst du dich im nächsten Schritt fragen, wie sie entstanden sind und wo sie herkommen. Diese Fragen führen dich in den Bereich, der in der Psychosynthese das „Untere Unbewusste“ genannt wird. Das Untere Unbewusste steht für deine Vergangenheit, dein Aufwachsen, insbesondere für die Kindheit und Jugend. Hier sind deine tiefsten Glaubenssätze entstanden und hier sind deine inneren Kinder versammelt – ggf. zusammen mit psychischen Schutzstrukturen („Wächtern“).
Mit dem Unteren Unbewussten zu arbeiten bedeutet im Wesentlichen, Erfahrungen aus dem eigenen Aufwachsen aufzuarbeiten. Das können positive wie negative Schlüsselerlebnisse sein und auch traumatische Erfahrungen. Auch die Auseinandersetzung mit dem eigenen Familiensystem und mit der Beziehung zu den eigenen Eltern findet hier statt.
Die Auseinandersetzung mit der eigenen Kindheit ist für Menschen, die anfangen sich mit Innenarbeit auseinanderzusetzen, oft noch durchaus vertraut. Anders ist es mit den Ebenen von Prozesstiefe, auf die ich jetzt eingehe.
Sehr frühe Biographie, peri- und postnatale Erfahrungen
Du wirst dich ziemlich sicher nicht bewusst an die ersten Jahre deines Lebens, an deine Geburt oder die Zeit im Mutterleib erinnern können. Das bedeutet jedoch nicht, dass du in dieser Zeit nicht auch prägende Erfahrungen gemacht hast oder Wunden davon getragen hast. Stanislav Grof hat als Therapeut und Forscher beispielsweise die biologische Geburt und das „Geburtstrauma“ als zentralen Punkt der menschlichen Entwicklung hervorgehoben. Er konnte seinen Patienten über holotrope Erfahrungen (Atemtherapie und Arbeit mit Psychedelika) auch Zugang zu vorgeburtlichen Erfahrungen im Mutterleib ermöglichen. Es ist inzwischen kein Geheimnis mehr, dass sich der emotionale und physische Zustand der Mutter während der Schwangerschaft stark auf das ungeborene Kind auswirken – positiv wie negativ.
Der Zugang zu diesen Erfahrungen mit dem bewussten reflektierenden Verstand (der erst ab ca. dem 3. Lebensjahr aktiv ist) ist hier nicht möglich. Dennoch kann es je nach eigener Geschichte wichtig sein oder der Wunsch aufkommen, sich mit diesen Erfahrungen auseinanderzusetzen. Und das ist auch möglich: Insbesondere über Körperorientierte Ansätze (z.B. Somatic Experiencing, Körperpsychotherapie), über holotrope Zustände (z.B. holotropes Atmen, Rebirthing) oder über Aufstellungsarbeit.
Die Transpersonale Ebene
In der klassischen Psychologie (Psychoanalyse, aber auch einige humanistische Ansätze) dominiert die Ansicht, dass es ausreichend ist für die Heilung und Entwicklung des Menschen diesen in seiner individuellen Biographie und seinem sozialen Eingebettet-Sein zu betrachten. Viele Ansätze blenden den transpersonalen Bereich unserer Existenz mehr oder weniger aus. Transpersonal ist all das, was über dich als Person hinausgeht. Du bist beispielsweise nicht nur eingebettet in ein soziales Umfeld – deine Familie und die Kultur, in der du lebst durchdringen dich gewissermaßen. Die transpersonale Ebene deiner persönlichen Prozesse kann verschiedene Inhalte haben:
- Das Kollektive Unbewusste: Es gibt eine kollektive Psyche, ein kollektives Unbewusstes und dieses hat Einfluss auf dich, weil du Teil dieses Kollektivs bist. Je nach Region der Welt und kulturellem Hintergrund ist das ein anderes kollektives Unbewusstes. Hier finden sich auch Einflüsse von kollektiven Traumata wie z.B. den beiden Weltkriegen oder Vertreibungen von Völkergruppen.
- Transgenerationale Themen: Was deine Ahnen erlebt haben, was sie entwickelt haben, haben sie an dich weitergegeben. Nach der Personalen Ebene ist oft die transgenerationale Ebene die erste, bei der wir mit unserer Inneren Forschung landen. Angefangen bei der Auseinandersetzung mit unseren Eltern merken wir: wie meine Vorfahren gelebt haben, hat Einfluss auf mich. Herausforderungen und Blockaden – aber auch Begabungen – können sich durch die Ahnenlinie hindurchziehen. Durch bewusste Arbeit mit der Ahnenlinie (z.B. durch Aufstellungsarbeit oder andere Ansätze) kann hier Heilung in die Ahnenlinie gebracht werden, die sich dann auch wieder positiv auf dich selbst auswirkt.
- Frühere Leben und Karma: Vielleicht glaubst du daran, vielleicht nicht – frühere Leben können im transpersonalen Einfluss auf dein heutiges Sein haben. Rein wissenschaftlich lässt sich das nicht erklären. Aber in erfahrungsorientierten Ansätzen und schamanischer Arbeit, durch Meditation oder den Kontakt zu begabten, sehenden Menschen kann Kontakt zu dieser Dimension hergestellt werden. So können tiefe Erfahrungen in früheren Leben ihre Spuren hinterlassen haben und sich im Hier und Jetzt und diesem Leben auf dich auswirken.
Zuletzt wenden wir uns noch einmal dem personalen Bereich zu:
Das Höhere Unbewusste und Höheres Selbst
In der Psychosynthese steht das Höhere Unbewusste für den Raum unserer Zukunft, für unser Potential, höhere Anteile unserer Persönlichkeit und die uns innewohnende Weisheit. Vielleicht ist dir schonmal der Begriff des „Höheren Selbst“ begegnet – das wird hier verortet. Es ist wichtig, sich mit dem eigenen Potentialraum verbinden zu können um Möglichkeiten und Fähigkeiten zu entwickeln und einen guten Weg für das eigene Leben zu finden.
- Das Höhere Selbst kann als „Komponist“ deines Lebens gesehen werden. Es ist ein wichtiger Informationsgeber, gerade in sehr herausfordernden Lebenssituationen. Wenn du mit ihm in Kontakt kommst, kann es dir Hinweise darauf geben, ob du auf dem richtigen Weg bist und du kannst einen tieferen Sinn in den Schwierigkeiten entdecken, die dir möglicherweise begegnen.
- Der Goldene Schatten ist das Potential, das du hast dir aber selbst nicht eingestehst. Du verschließt dann die Augen vor den Möglichkeiten, die du eigentlich hast. Das kann z.B. ein ungenutztes Talent sein, das dir dann nur im Außen begegnet, statt dass du es dir selbst zugestehst und entwickelst.
Zugang zu den Ebenen gewinnen
Wenn du dich wie wir mit Innerer Forschung beschäftigst wirst du nach und nach auf die hier beschriebenen Ebenen von Prozessarbeit stoßen. Für manche Fragen in deinem Leben wird es ausreichen, dich mit dem mittleren Unbewussten und deinen inneren Stimmen auseinanderzusetzen. Andere Fragen und Herausforderungen werden dich bis zum Kern deiner Existenz und darüber hinaus führen – wenn du es zulässt.
Wenn du geduldig fragst und forscht und dir an der ein oder anderen Stelle auch Unterstützung von erfahrenen Menschen holst, dann kannst du Licht und Schatten deiner Existenz in allen Facetten erfahren, Antworten auf deine Fragen finden und echte Heilung erfahren.
Welche der hier beschriebenen Ebenen war noch neu für dich? Mit welchen Ebenen hast du schon gearbeitet? Teile deine Erfahrungen gerne mit uns und folge uns, wenn du mehr über Prozessarbeit, Psychologie und Innere Forschung erfahren möchtest.
Und wenn du mal nach erfahrener Begleitung suchst: Schau mal bei unserer Prozessbegleitung vorbei, mit der wir dich unterstützen die Herausforderungen deines Lebens zu meistern!